Ingrid Gardill, Internationale Kunst heute

Die Erinnerungengenannten Gemälde des österreichischen Künstlers Michael Oberlik basieren auf Skizzen, Fotos, Gefundenem und wiederverwendeten Zeichnungen, die in neue Werke eingefügt werden. Meistens sind sie komplett übermalt, so dass man sie nur noch ahnt, oder als Struktur wahrnimmt, aber dennoch zeigen sie ihre Wirkung.

Inspirieren lässt sich der Künstler von Reiseeindrücken, oft auch von literarischen Texten.

Oberlik arbeitet mit großzügigen Farbfeldern, die er in einem letzten Arbeitsgang mit breiten, schwarzen Linien voneinander abgrenzt. Er selbst nennt sie „Zeichen“ und malt sie mit dem Pinsel, während er zusätzlich mit Kohle oder Kreiden kleinere, spontane Gesten locker dazwischen zeichnet. Selbstgemischte Farben aus Pigmenten, versetzt mit Naturstoffen wie Erde oder Sand, wirken kräftig und satt, besonders die schwarze Kontur bringt sie vielfach zum Leuchten. Diese bewirkt auch eine gewisse graphische Komponente, die die Arbeiten vordergründig strenger macht, zugleich werden sie durch verspielte Motive wie kleine Dreiecke, Häuser, Kreise oder Augen mit langen Wimpern, auf originelle Weise belebt.

In dieser besonderen Spannung wirken die kraftvoll farbigen Kompositionen sehr lebendig und sind dabei dennoch vom Zeichenhaften geprägt. Oberlik hält die Formen bewusst in der Fläche und verzichtet gänzlich auf Tiefenwirkung, womit sie an Eindringlichkeit gewinnen.

Die abstrakten, formelhaften Zeichen erinnern an einige Vertreter der Ecole de Paris um Pierre Soulages, einer Strömung des Informel der 60er Jahre. Mit ihnen teilt der Künstler die besondere Balance von sich frei entfaltender Farbe und bewusste gesetzten Zeichen.

Mittlerweile verbindet Oberlik seine ausgeprägten und sehr ansprechenden Arbeiten und Serien immer öfter zu umfangreichen Zyklen.

 

Ingrid Gardill, Internationale Kunst heute, Band 2017

Antonia Zimmermann („Kunstnotizen“) – Zur Ausstellung „+43 6060/24021504“ in der CART-Galerie Pregarten, 2016

Michael Oberlik arbeitet in Serien, die sich zu Zyklen formieren. In der Serie „Geschichten“ mit dem Untertitel „Erinnerungen“ hat er alte Skizzen, Zeichnungen und Fotografien bearbeitet, Erinnerungen, die hier wieder zu neuer Bedeutung kommen. Er collagiert sie, übermalt sie teilweise mit selbst gemischten Pigmenten. Nicht alles muss dabei sichtbar bleiben. Bei genauer Betrachtung kann man die Konturen der eingearbeiteten Papiere allerdings noch erkennen. Ausgangspunkt ist eine Grundidee, die das Formengefüge betrifft. Nach dem zuerst bewusst gesetzten Zeichen lässt er sich vom  Bild weiterleiten, eher aus dem Unterbewussten heraus. Der Aufbauprozess ist ein langsamer, Farbschicht um Farbschicht wird aufgetragen, muss trocknen, wird liegen gelassen. Gegen Ende des Arbeitsprozesses werden die grafischen Elemente gesetzt. Kräftige schwarze Linien brechen die Farben und steuern den Bildeindruck, oft ergänzt durch zarte farbige Striche. Zeichen sind ein wesentlicher Bestandteil unserer Welt: es sind abstrakte Gebilde, die mit Bedeutung belegt werden. Zeichen sind ein wesentliches Element in den Arbeiten von Michael Oberlik und er überlässt es dem Betrachter, sie mit Bedeutung aufzuladen.

 



 

Zur Ausstellung „Itinerari – Wege“, mit Ernst Hager

E20 Gallery, Marsciano, Umbrien

Prof. Pino Bonanno

 

... Die österreichischen Künstler aus Linz bieten Grafik und Malerei, die aus Wesentlichem gemacht ist, extrem verfeinert in Konzept und Ausarbeitung, eine Art „Beweis-Kommunikation“, in der uns eine intelligente Synthese aus Zeichen und Farbe begegnet, wie sie in der besten Tradition der Malerei des 20. Jahrhunderts anzutreffen ist.

Bei Oberlik folgt die Farbe einem Weg des Informel, breitet sich über Flächen und Bildteile aus, grundsätzlich mittels zwei drei Farbtönen sich darstellend, mit einer dominanten Tonalität, an der sich, als „Mitklang“ oder als Kontrast, die anderen Farben artikulieren.

 

Die Abwesenheit des Menchen im Werk Oberliks erklärt sich aus seinen Visionen außerhalb der Realität, die aber nicht von einer rätselhaften Mystik jenseits der Zeit handeln, sondern ausgearbeitete Träume seiner Identität sind.

 

Das malerische Element erscheint – in Oberliks Intention- zunächst derb und spröde, nichts Präzises, keine Konzessionen an die malerischen Techniken, keine virtuosen handwerklichen Spielereien. Mit stetiger Eindringlichkeit stellt er seine „mentalen Landschaften“ dar, wie in einem geheimen Ritual, um all diese ganz für sich zu haben, Form und Farbe, denen es an nichts mangelt.

 

Beschwörung einer Welt und Natur, rätselhaft und rau, Visionen einer starken, suggestiven Umwelt, in denen die dynamische Pinselführung, dicht und expressiv, freie Kreativität und verfeinerte Konzeption ausdrückt.

 

Das Abstrakte ist für Oberlik d i e Kunst schlechthin, die er mit expressiver Technik von einzigartiger Erfahrung und außerordentlicher Reife eindeutig und reich interpretiert. Seine Arbeiten sind Farbe und Form, entsprungen freier Beobachtung der Welt, zusammengefasst in einer persönlichen Abstraktion, gleichsam materialisierte Lyrik.

 

Es sind Bilder starker ästhetischer Aussagekraft, vibrierend im Einklang der Farben, voll überschäumenden Temperaments oder auch nahe am Flüstern.

 

 


Zur Ausstellung "In Zeichen schreiben", 
Oktober 2004, Galerie Vernissage, Wien

 

Michael Oberlik beschäftigt sich im Rahmen seiner Arbeit auf der höchsten Ebene der Abstraktion mit den Grundwerkzeugen unserer Kommunikation - den Zeichen - und beleuchtet sie in archetypisch-ästhetischer und kritisch-experimenteller Weise auf ihre Mehr-, bzw. Eindeutigkeit . Der Künstler arbeitet so genau im Streubereich zu den konkreten Zeichen hin, da, wo diese dann von der Allgemeinheit aufgenommen werden können, wenn sie den notwendigen Ansprüchen der Kommunikation, wie u.a. der Einfachheit, der Unverwechselbarkeit und eben auch der Eindeutigkeit, genügen. Ich betrachte diesen Arbeitsbereich des Künstlers Michael Oberlik als den spannendsten und bedeutendsten innerhalb der Bildenden Kunst, ein Bereich, in dem auch unsere Schriftzeichen entstanden sind. Seitdem es die Schrift gibt, können Bilder gelesen werden.   Dr. Ferdinand Resch, Galerie Vernissage, Wien

 

 


TEXTAUSZÜGE
aus dem Katalog zur Ausstellung "Raccontare", März 2005,
Galleria Quadreria del Lotto, Trapani, Sizilien

Salvo Ferlito


Oberlik lesen

Erzählen (und sich erzählen) mittels seiner Bilder ist schon immer das wahrhaft letzte Ziel eines Malers. Wahrhaftig eines der außergewöhnlichsten Instrumente sich auszudrücken, das jemals vom Menschen erdacht wurde, ist zweifelsohne die Kraft der Zeichen, der Striche und der Farbe.......
Es ist eine beschwörende Kraft, derer sich Michael Oberlik wohl bewusst ist, mit der er seiner letzten Serie von Malereien Ausdruck verlieh; in Form einer Erzählung, einer Bildfolge, die nicht zufällig den Kriterien einer geschlossenen Erzählung folgt. Die Unterteilung der Arbeiten in einen Prolog und drei Bücher (nebst einigen Anmerkungen), die Formatierung der Arbeiten in gleiche Einheiten- die gleichsam die ideale Abfolge von Buchseiten suggeriert, die Verwendung einer abstrakten Sprache mittels starker Zeichen - einer Art imaginierter Schrift -, die Tendenz, die Gedanken nicht in eine Begrenzung oder eine Art Stütze einzuschließen, das Sich-ausdrücken mittels einer Abfolge, Bild um Bild, nach Gesichtspunkten einer wirklichen, sich allmählich dynamisch entwickelnden Handlung, all das trägt insgesamt zu einer idealen symbolischen Struktur dieser Leinwände bei, wird zu einem höchst erstaunlichen Manuskript, in dem uns der österreichische Maler gleichsam eine Transkription, eine Übersetzung seiner Vorstellungskraft und seiner Persönlichkeit bietet........

 

 

Aus einem Interview mit Cristiano Mattia Ricci, Mailand:

Für deine letzte Ausstellung in der Quadreria del Lotto (August 2002) hast du Inspiration für deine Bilder in der sizilianischen Landschaft gefunden, im Besonderen auch in der Stadt Trapani. Welche Beziehung ist zwischen dir und dieser Stadt und seinen Menschen entstanden?

Während meines ersten Aufenthaltes in Trapani, mitten im historischen Zentrum wohnend, hatte ich Gelegenheit, viele interessante Menschen kennen zu lernen, unter ihnen besonders jemanden, der sich zu meiner Freude zu einem Freund entwickelt hat, der Maler Antonio Sammartano, der mir Trapani und die Umgebung zeigte. Auch meine Frau war besonders dadurch angezogen, dass Trapani eine noch sehr wenig „touristische" Stadt und Umgebung sind und durch unsere Aufenthalte und die Menschen wurde uns Trapani quasi zu einer zweiten Heimat.

Ich erkenne in der expressiven Ausdruckskraft deiner Bilder einige Ähnlichkeiten mit bildnerischen Entwicklungen, die besonders in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Deutschland auftraten, wie etwa die „Neuen Wilden. Auch wenn überwiegend abstrakt, scheinen mir deine Bilder tatsächlich in der Nähe der Informellen Malerei angesiedelt und, noch näher, in Sensibilität und Stil nahe an Malern wie A.R.Penck, Karl Heinz Hödicke, Antonius Höckelmann oder Jörg Immendorff! Kannst du dich erinnern, woher du in diesen Jahren beeinflusst wurdest? Hältst du es für wichtig, heutzutage die Bedeutung der Malerei innerhalb der Modernen Kunst zu unterstreichen?

Als ich etwa Mitte der Siebziger Jahre des vorigen Jhdts. meine ersten künstlerischen Schritte unternahm, war ich tatsächlich von Künstlern wie den von dir genannten beeindruckt und beeinflusst, noch mehr allerdings durch Maler wie Emil Schuhmacher oder den Österreicher Markus Prachensky; in den 80er Jahren waren meine Arbeiten allerdings noch „spontaner", „luftiger", reine Farbe auf weißem Untergrund. Dann in den 90ern wurde mir dieser Untergrund immer wichtiger, es entstanden auch die ersten „signifikanten" Zeichen, deren Bedeutung und Möglichkeiten mich bis heute beschäftigen!
Den zweiten Teil deiner Frage betreffend glaube ich, dass die Malerei nie wenig wichtig sein wird und gerade in einer Zeit, der „Neuen Medien" die Bedeutung der Malerei wieder wächst! Schau, die Malerei entsteht im Kopf, kommt überarbeitet durch die Hand heraus - nicht so genau wie mit dem Computer oder Video - und die Eigenheit, die Handschrift eines Künstlers ist sozusagen eine Unterschrift.

Die neuen Arbeiten, die du in dieser Ausstellung präsentierst, „Raccontare", sind als Zyklus in Form eines literarischen Buches konzipiert, genauer gesagt so, als ob es sich um ein eigenständiges, großes Buch handelte. Welche Beziehung hast du zu den anderen Künsten und was beabsichtigst du mit diesem großen „visuellen" Buch?

Für mich sind alle Künste interessant; als Jugendlicher habe ich in einer Rockband Klavier und Gitarre gespielt, und ich habe immer auch geschrieben, habe Musik gemacht und geschrieben, um etwas zu „erzählen". Auch der Inhalt eines Bildes erzählt etwas, den Inhalt meiner Bilder allerdings muss sich der Betrachter erst aneignen, muss die Zeichen für sich interpretieren und mit Bedeutung besetzen. Auf diese Weise kann er auch etwas über mich „lesen", aber ich kann dem Betrachter dabei helfen, ihm sozusagen ein Gerüst bieten.
twicklung für ei

 

Hältst du die Weiterenne Voraussetzung im Werk eines Künstlers? Was sollte deiner Meinung nach der Hauptinhalt künstlerischer Recherche sein, und was sollte ein Künstler hauptsächlich „erzählen"?

Erneuerung und Weiterentwicklung müssten Teil jedes Künstlers sein. Unterschiedliche Lebensabschnitte müssten auch im Werk eines Künstlers merkbar sein, weil sich das Leben verändert, verändern sich auch Art und Aussage seiner Malerei.
Meine Prioritäten liegen in meiner Arbeit auf der Sensibilisierung der Betrachter, ich will sie aufmerksamer machen, überlegter, nachdenklicher aber auch offener für neue Ideen und alles, was um sie herum passiert. In diesem Sinn hat meine Malerei auch einen sozialen und politischen Aspekt.

 

 

 

Textauszug Alessandra Infranca

"Domani accadrà - morgen wird es geschehen"

 

Der "bildnerische Text" Michael Oberliks bewegt sich mit frischer Spontaneität und zielgerichteter Notwendigkeit in die Richtung einer Untersuchung, die, indem sie jede strukturierte Form - traditioneller und avantgardistischer Art - ausschlägt, aus einer totalen Freiheit schöpft, expressiv und erwachsen in den dunklen Bereichen des Unbewussten, nicht einfach als Automatismus, sondern als Weiterführung der Erfahrung im Innersten des Künstlers, ein Spiegel tiefgründigen Pulsierens, Reflexe von Leidenschaften, Erinnerungen an Objekte, ein Gemisch aus Tugend und Laster, aus denen Oberlik gestaltet, gleichzeitig Erzähler und Sänger, lyrischer und gestischer Interpret in der Absicht zu erzählen, zu fabulieren, in einer wahrhaften Vision der Welt und der Natur, in einem eindrucksvollen Spiel, in dem sich die Dichte der Zeichen und die Kraft der Farbe gegenüberstehen...........

 


Textauszug Paola Sciuto

..... Michael Oberlik drückt sich mittels einer Malerei aus, die die gestische Energie der Informellen Malerei mit dem Automatismus der Surrealisten zu vereinen scheint, mit der Hilfe von Gestaltungsmittel wie die Farbgebung des Abstrakten Expressionismus Amerikas. Und mittels der „Regeln" dieser Bewegung kann man Oberlik „lesen".
Weit gesetzte dicke schwarze Pinselstriche auf einem Untergrund, auf dem sich unterschiedlich dichte Farbschichten abwechseln, geschickt einer dezidierten Form ausweichend. Eine „Malerei-an-sich" auf der gesamten Fläche der Leinwand, ohne Zentrum und Peripherie, auf die Bedeutung des Chaos hinweisend, in dem das Abbild sich in sich selbst auflöst und aus dem der dramatische Konflikt des Künstlers auszubrechen versucht.........